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geplanter Band: Geschichten aus dem Ries
Judebüeble
Der Sohn vom Stollerbauern in Wallerstein, der Hans, war groß für seine vierzehn Jahre und stark auch. Die anderen Buben im Dorf standen ein bisschen unter seiner Fuchtel - jedenfalls er selber glaubte es und wenn man an sich selber glaubt, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass es in etwa stimmt.
Ein Honiglecken war es nicht, das Kleinbauernleben, aber das erwartete auch keiner. Hans musste daheim oft bei der Arbeit mithelfen, aber das mussten die Kleinbauernbuben alle. Die Schule lief nebenher. Man machte nicht viel Aufhebens um die Schule. Hauptsache die Buben wurden tüchtige Leute, denen man den Hof vererben konnte.
Seit dem vergangenen Herbst ging Hans in die Landwirtschaftsschule in Nördlingen. Er wunderte sich nicht besonders darüber, dass in der Pause die Lutherischen auf einer Seite des Pausehofs standen und die Katholischen auf der anderen. Im Dorf war es ähnlich gewesen, solange er denken konnte. Natürlich kannte im Dorf jeder jeden. Es war ein übersichtliches Leben. Auch die vom nächsten Dorf kannte man, nur weniger gut. Man war aber von Dorf zu Dorf entweder katholisch oder evangelisch und dazwischen war eine Mauer. Keine richtige Mauer, sondern eine gefühlsmäßige, aber sehen konnte man sie trotzdem, wenn beim Baden im Ehringer Weiher die Wallersteiner auf der einen Seite und die Ehringer auf der anderen hockten. Na und? Wen störte es? Den Hans störte es nicht. Er wusste ja, wohin er gehörte und wer er war, einer, der was galt unter den Gleichaltrigen. Bis jetzt jedenfalls. Seit ein paar Wochen machte sich der Hans nämlich Gedanken. Es hatte sich was verändert in seinem jungen Leben und er wusste auch warum. Schuld war die Hitlerjugend und dieser Anton Zell - zwei Jahre älter als er - der dort als Fähnleinführer das große Wort führte. Plötzlich hatte er, Hans, bei seinen Freunden und Schulkameraden nicht mehr so viel zu sagen, wie er das gewohnt war. Das wurmte ihn.
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Der Fähnleinführer konnte die Juden nicht leiden. Er behauptete, sie seien "ruachat", geldgierig, und der Führer sorge sich, weil sie immer daran dachten, wie sie den Deutschen schaden könnten. Die Mutter hatte auch mal so was Ähnliches verlauten lassen, aber der Vater hatte ihr das Wort abgeschnitten und gesagt, der Schulmann wär ein anständiger Nachbar, und er sei noch nie von ihm betrogen worden. Da hatte die Mutter nichts mehr gesagt. Hans mochte die Schulmanns. Sie gingen nicht in die katholische und nicht in die evangelische Kirche, aber das taten andere auch nicht. Im Religionsunterricht hatten sie gelernt, dass Jesus Jude war. So was Schlechtes konnte es also gar nicht sein...